Sonntag, 11. Juni 2017

Freier als Paul Preuss

Heute wandelten Hans und ich auf den Spuren eines meiner größten Klettervorbilder, Albert Precht. Leider weilt er nicht mehr unter uns und ich hatte nie das Vergnügen ihn persönlich kennen zu lernen. Durch sein Werk wird er jedoch nie in Vergessenheit geraten. Unter seinen nahezu unzähligen Errungenschaften war eine der vermutlich größten und aufsehenerregendsten Leistungen die Erstbegehung der Tour 'Freier als Paul Preuss' - free solo und nur mit Reibungskletterschuhen bekleidet. Mitten durch die ca. 900 hm hohe Wetterwand führt die Tour auf den Großen Bratschenkopf. Hans und ich waren vor ein paar Jahren schon mal eingestiegen, hatten aber aufgrund der Bedingungen und dem Zweifel an unserem Können abgebrochen. Mittlerweile haben wir einige Erfahrung in Hohen Wänden dazu gewonnen und so wollten wir die stabile Wetterlage nutzen. Da der letzte planmäßige Zug von Bischofshofen Richtung Graz um 19:13 abfährt, war ein Frühstart notwendig. Um ungefähr 4 Uhr starteten wir bei der Kopphütte und ein paar Höhenmeter später standen wir im Riedingtal. Das Altschneefeld unterhalb der Wand war größer als erwartet und hatte eine interessant geformte Felsinsel in der Mitte.
Patriotisch wie wir sind, stiefelten wir mitten durch 'Österreich' durch. Glücklicher Weise war das Schneefeld relativ weich und so kamen wir mit den leichten Zustiegsschuhen und zwei Steinen in den Händen (als Pickelersatz) gut drüber. Ich durfte loslegen und hängte die ersten beiden Seillängen zusammen. Anschließend kam eine steile Rissverschneidung in der Hans leider unseren Gemeinschafts-Rotpunkt vereitelte. Das störte mich in dem Moment aber überhaupt nicht, ich war nur heil froh, dass die uralte Bandschlinge, in die er flog, gehalten hat. Gefolgen ist er übrigens, weil die Kletterschuhe irgendwie nicht wirklich Gripp hatten und ihm ein Reibungstritt abrutschte. Weiter oben und mit Sonne hielten die Schuhe wesentlich besser. Egal, weiter ging es über die beiden angeblichen Schlüsselseillängen. Wir meinten aber Beide, dass uns die steile Rissverschneidung der vorangegangenen Seillänge anstrengender vorgekommen war. Obwohl der etwas kleingriffige Quergang teilweise ziemlich nass war, löste er sich sehr schön auf und wir hatten beide keine Probleme darin. Im Anschluss hatte ich aber Probleme mit der Routenfindung und fand mich im falschen Stand wieder. Hans bügelte meinen Fehler mit einem gekonnten Clean-Quergang zu unserer Tour wieder aus und so befanden wir uns in den herrlichen Wasserrillenplatten oberhalb der steilen Einstiegswand. Geschenkt waren die Wasserrillenplatten aber auch nicht, man musste sich schon fast durchgehend ganz gut anhalten und ein paar Meter ging die Linie mitten durchs Nasse. Auch wenn ich kein begnadeter Schwimmer bin, meisterten wir die wässrige Passage und bald kam der nächste Steilaufschwung. Über sehr schöne Wandkletterei erreichten wir den eigentlich leichten Quergang, der uns am Ende über eine markante Schlucht führte. Eigentlich leicht deshalb, weil in der Schlucht noch einiges an Altschnee lag. Da war ich froh, dass Hans bereits gute Tritte in die steile Schneerinne hineingeschlagen hatte. Und auch die Stein-Pickel kamen wieder zum Einsatz. Diesmal aber andere, da gibt es diverse Modelle im Shoppingcenter der Natur ;-). Nach einem kurzen Versteiger von mir folgten einige sehr schöne, abwechslungsreiche aber auch anhaltende und anstrengende Seillängen, ehe wir unterhalb des Abschlusspfeilers standen. Dort gönnten wir uns die erste und einzige Müsliriegel-Pause ehe wir die letzten anspruchsvollen und steilen Seillängen in Angriff nahmen. Hans startete in die schöne Piaz-Passage und piazte etwas zu weit hinauf. Leider ging es aus den beiden oftmals nur sehr grob skizzierten Topos, die wir dabei hatten, nicht wirklich hervor, dass man die schöne erste Piazverschneidung verlassen muss und über einen nicht allzu kurzen Quergang nach rechts in eine zweite Rissverschneidung wechseln muss. Hans fand einen alten Normalhaken in den er eines der Halbseile hängte und kletterte die falsche Rissverschneidung wieder ab. Als er nach dem Quergang wieder auf der richtigen Linie war, hängte er noch die Sanduhr und den nächsten Bohrhaken und machte Stand an der Sanduhr. Anschließend holte er mich nach. Das Aushängen des alten Normalhakens im Verhauer war nun kein Problem mehr, da das zweite Seil von oben kam und das Abklettern der falschen Piazverschneidung damit eigentlich genussvoll war. So waren wir bald im nächsten, etwas unangenehmen Stand. Unangenehm deshalb, weil ich auf einer aufgelegten Felsschuppe stand die vermutlich im Laufe der nächsten Winter irgendwann ausbrechen wird. Die nächste Seillänge bot wunderschöne, steile Wandkletterei mit moralisch fordernden Hakenabständen. Nach oben hin wurde es etwas schwerer, dort wurden aber auch die Hakenabstände geringer. Auch die anschließende Seillänge war noch mal wirklich herrlich aber zum Konzentrieren. Nun trennte uns nur noch leichtes Gelände und eine Gipfelwächte vom Ausstieg. Erfreulicher Weise war uns die Gipfelwechte gewogen und wir fanden einen gemütlichen Druchstieg auf die Hochebene. Durch meine beiden Verhauer und dem Versteiger von Hans waren wir nicht allzu gut in der Zeit und ich eilte schon mal voraus um über die Mitterfeldalm zur Kopphütte zu gelangen und Hans mit dem Auto von Arthurhaus abzuholen. Das Stück vom Arthurhaus zur Kopphütte zog sich länger als ich dachte, aber schlussendlich kam ich noch rechtzeitig in Bischofshofen an. Mit köstlichem Apfelschlankel, den ich in der Früh von zuhause mitgenommen hatte, ließ ich den traumhaft schönen, gelungenen Tag ausklingen.
Nachdem wir die Tour 'Freier als Paul Preuss' nun gegangen waren, schätze ich die unglaubliche Leistung von Albert Precht bei der free solo Erstbegehung dieser Linie noch höher ein. Es braucht viel Mut und Selbstvertrauen und ein Fünkchen Glück, um ein derartiges Unternehmen durchzuziehen. Insbesondere dem letzten Abschnitt sieht man von unten die eigentlich moderate Schwierigkeit kaum an. Selbst mit Seil, Bohrhaken und Topo ist diese wunderschöne und spektakuläre Linie nicht zu unterschätzen. Wer die Schwierigkeiten gut beherrscht und die notwendige Ausdauer sowie eine gefestigte Moral mitbringt, der wird, so wie wir, in dieser Tour seine helle Freude haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen