Freitag, 31. Mai 2019

Wer putzet der findet und Diplomarbeit

Da noch einiges an Schnee in den Bergen lag, suchten Melanie und ich heute nach einer eher tief gelegene Wand. Außerdem sollte sie auf der Strecke zwischen der Steiermark und Tirol liegen und schönes Wetter mit viel Sonne in der Wand standen auch noch auf der Wunschliste. Wir versuchten unser Glück am Traunstein, wo die Südwestwand alle Grundvoraussetzungen für unsere Wunschliste erfüllen würde. Leider war das Wetter aber nicht motiviert unsere gesamte Wunschliste in Erfüllung gehen zu lassen. Der meist bedeckte Himmel verschonte uns zwar netter Weise mit Regen, doch die Sonne ließ sich auch nur sehr sporadisch blicken. Das eigentlich gute Wanderwetter wurde ausgiebig genutzt, weshalb der Parkplatz am Ostufer des Traunsees schon ausgiebig von Wanderern belagert wurde. Ein paar Meter weiter nördlich gabe es aber noch genügend Platz für uns. Nach der ersten Steilstufe am Naturfreunde Klettersteig bogen wir bald links zum Gmundnerweg ab. Über nette Kraxelei ging es den unteren Abschnitt des Traunstein Südwestgrates hinauf. Nach den ersten beiden Grataufschwüngen bogen wir rechts zu den Klettertouren in der Südwestwand ab. Eigentlich wollten wir mit dem Sanduhrenparadies anfangen, da sich dort gerade eine Seilschaft zum Einsteigen bereit machte, gingen wir doch weiter hinauf zur 'Wer putzet der findet'. Ganz trocken war die Tour noch nicht nach dem Regen in der Nacht. Wirklich störend waren die feuchten Passagen beim Klettern aber nicht und dank der dichten Absicherung war die Nässe noch nicht mal moralisch fordernd. Ich konnte jedenfalls sehr gut verstehen, warum das die beliebteste Tour in der Wand ist. Jede einzelne Seillänge war ein wahrer Genuss in festem, griffigem Fels.
Oben angekommen ging es in drei flotten Abseilfahrten zurück zum Einstieg. Die Tour 'Diplomarbeit' sollte es nun werden. Nach der traumhaft schönen Kletterei zuvor, hatte es die zweite Tour des Tages natürlich schwer. Sie konnte aber bei weitem nicht mithalten. Immer wieder waren grasig-erdige Abschnitte und brüchiger Fels dabei. Nur die dritte Seillänge gefiel mir wirklich gut und war von der Felsqualität mit der 'Wer putzet der findet' vergleichbar. Die letzte Seillänge war auch recht nett und definitiv schöner als die ersten Beiden. Am Ausstieg angekommen gingen wir den Südwestgrat zu Ende und erreichten nach wenigen Kraxelmetern den Naturfreundesteig, der uns wieder hinab geleitete. Zurück am See badeten wir die stinkenden Klettererzehen im angenehm kühlen Wasser ehe wir die weitere Heimreise antraten.
Die Tour 'Wer putzet der findet' ist völlig zurecht die beliebteste Tour an der Traunstein Südwestwand - genussvolle Plaisirtour vom Feinsten. Im Vergleich dazu konnte die Tour 'Diplomarbeit' nicht überzeugen. Die zweite Hälfte der Tour war aber immerhin schöner als die erste.

Samstag, 18. Mai 2019

Bivacco Regina delle Dolomiti

Wärend Melanie dieses Wochenenden in San Tomaso Agordino verbachte, wo sie bei dem jährlichen Treffen der Outsidestories-Produktscouts dabei war, wollte ich die umliegenden Berge ein wenig erkunden. Das Wetterglück war uns aber leider nicht wohlgesonnen. Das winterliche Maiwetter nutzend, stand bei mir die Suche nach Pulverschnee auf dem Plan und fast wäre er mir aufgegangen. Vom Westufer des Lago di Fedaia brach ich bei Dämmerung auf und nach ein paar Höhenmetern stieg ich tatsächlich aus dem Nebel heraus und war in einer traumhaft schönen Morgenstimmung in völlig einsamer und atemberaubender Landschaft bei fast blauem Himmel. Sogleich begann ich mir Möglichkeiten für den heutigen Tag auszumalen und da die Schneebedingungen aus momentaner Sicht noch recht stabil wirkten, hatte ich so einiges im Kopf. Doch zuerst war mal klein anfangen angesagt, so ganz traute ich den Bedingungen und dem unerwartet schönen Wetter noch nicht. Beim Rifugio Pian del Fiacconi war die Sicht noch gut, doch bald schon wurde der Himmel immer bedeckter und die Wolkendecke sank ab. Die leicht zunehmende Menge an Pulverschnee hätte mich grundsätzlich nicht gestört, jedoch wurden die Möglichkeiten in meinem Kopf dadurch schon mehr und mehr abgewandelt. Bei der Bergstation der Punta Rocca Seilbahn angekommen, war ich dann schon mitten im Nebel und die Suche nach dem markanten Rücken, der in Richtung Punta Rocca führt, gestaltete sich gar nicht so leicht und kostete ordentlich Zeit. Schließlich glaubte ich jedoch, den Gipfelaufschwung des Punta Rocca gefunden zu haben. Also wurden Schi und Stecken gegen Eisgeräte getauscht und ich machte mich bis in die letzten Haarspitzen motiviert auf den Weg. Als ich bei den Überesten des Bivacco Regina delle Dolomiti ankam (zumindest vermute ich, dass der Bretterhaufen so heißt), luden diese nicht zum Verweilen ein.
Bis dort hin war es noch recht gemütliche Stapferei, doch nun schien es deutlich anspruchsvoller zu werden. Zunächst probierte ich es rechts beim Biwak vorbei, wo mich eine Mixed-Passage erwartete. Auch wenn ich mich mittlerweile am Berg in fast jedem Gelände wohl fühle, mit der Kombination aus Fels, Eis und Schnee hatte ich mich noch immer nicht so richtig angefreundet. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich damit verbracht hatte, Stufen zum Steigen und Löcher für die Eisgeräte unter dem Schnee auszugraben, war ich gerade mal ein paar Meter vorangekommen. Irgendwie wollte sich die Passage vor mir nun aber nicht auflösen lassen und das Mixed-Gelände schien kein Ende zu nehmen. Daher musste ich mir eingestehen, dass ich auf diesem Weg wohl nicht ans Ziel kommen würde. Also langsam wieder hinab zum Biwak. Mit den bereits ausgegrabenen Tritten und Griffen ging das deutlich besser als erwartet. Aufgeben wollte ich nach diesem Dämpfer definitiv noch nicht, doch der Erfolg war mir heute einfach nicht vergönnt. Ich probierte noch ein paar Möglichkeiten auf der Südseite, bei denen ich jeweils an einer Mixed-Passage scheiterte, und ein paar Möglichkeiten auf der Nordseite, bei denen mir mehr und mehr bewusst wurde, dass doch gar nicht so wenig Schnee und Wind ihr Unwesen trieben und die Gefahr auf der Nordseite zunahm. Auch meine Aufstiegsspur war immer schlechter zu erkennen und so musste ich einsehen, dass es heute einfach nicht sein wollte. Zurück bei der Bergstation traf ich dann doch noch andere Menschen und wir plauderten ein wenig beim Abfellen. Den Blindflug zurück zum Auto trat ich dann aber doch alleine an, da sie etwas länger brauchten und ich nicht ganz auskühlen wollte. Ich versuchte der Aufstiegsspur zu folgen, was aber nicht immer klappte. Der Schnee wäre eigentlich ein Traum gewesen, doch ohne Sicht im konturlosen Weiß war es mir nur auf sehr kurzen Etappen möglich, den Pulver aktiv warzunehmen oder gar zu genießen. Hin und wieder war ich mir nicht ganz sicher ob es bergab oder bergauf ging und ob ich in Bewegung war oder gerade stand. Meist befand ich mich kurz darauf jedoch ohnehin am Boden und konnte das ganze in Ruhe philosophisch aufarbeiten. Hin und wieder gelang es mir sogar, eine Wechte zu finden, wobei sie mein Oberkörper vor meinen Augen fand. Die Grobpeilung passte aber super, immerhin hatte ich mir das Gelände im Aufstieg gut genug gemerkt um zielstrebig zum Rifugio Pian del Fiacconi zurückzufinden. Viel besser wurde die Sicht ab dort leider auch nicht, doch zumindest waren hin und wieder Konturen von alten Abfahrtsspuren zu erkennen. Dadurch nahm die Sturzdichte merkbar ab und ich kam doch noch mit einer lediglich einstelligen Anzahl an Stürzen an.
Pulverschnee und Mitte Mai, da lohnt sich die Schitour zur Bergstation der Punta Rocca Seilbahn allemal. Bei dichtem Nebel ist das ganze jedoch mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn das Gelände orientierungsmäßig eigentlich recht einfach ist, kann man im Blindflug schnell mal falsch abbiegen. Für den Gipfelanstieg auf die Punta Rocca wäre heute offenbar etwas mehr Zuversicht im Mixed-Gelände nötig gewesen, als ich hatte.

Mittwoch, 1. Mai 2019

In memoria di Ugo Ischia

So oft wie diese Tour habe ich vermutlich noch keine Tour abgebrochen. Aber heute klappte es endlich und unsere Hartnäckigkeit ist mit einem herrlichen Klettertag belohnt worden. Die Verschneidung zu Beginn war, wie immer, etwas seltsam aber löste sich dann doch gut auf. Die steile zweite Seillänge durfte ich mir bisher erst einmal anschauen und sie war auch heute wieder so genial wie ich sie in Erinnerung hatte. Nach einem steilen Start mit henkeligem Überhang leitete eine Rampe in einen recht leichten aber dennoch unvorstellbar fotogenen Quergang.
Ab nun ging es für Melanie und mich in Neuland, so weit waren wir noch nie gekommen. Ein paar schöne Klettermeter ging es noch senkrecht, bevor geneigte Lochhenkelplatten auf uns warteten. Bis auf ein paar spannendere Stellen an Leisten, Auflegern und Reibungstritten, hatten wir ab nun fast nur noch Lochhenkel in der Hand. Viel zu schnell war das Ganze vorbei und wir genoßen noch ein wenig die herrlich wärmende Sonne am Ausstieg, bevor wir den gut eingerichteten, teils etwas ausgesetzten Abstieg antraten.
Die Tour 'In memoria di Ugo Ischia' gehört für mich zu den Top-Genussklettertouren die ich im Sarcatal bisher gegangen bin. Abwechslungsreich mit interessanten Kletterpassagen und viel Lochhenkelspaß, was will man mehr?