Mittwoch, 22. April 2015

Torstein

Mittlerweile verliert der Schnee seine Anziehungskraft auf mich und der Fels lockt mehr und mehr. Daher machten Alex und ich uns heute auf, um dem Schnee für diese Saison Lebewohl zu sagen. Auf den Torstein sollte es gehen, mit einer Umrundung des Dachsteins. Vom Parkplatz der Hunnerkogelbahn machten wir uns Richtung Südwandhütte auf. In diesem Bereich hatte sich der Schnee trotz der sternenklaren Nacht kaum gefestigt und das Vorankommen durch die Latschen und Sträucher war teilweise etwas mühsam. Bei der Südwandhütte dachte ich mir, dass sich für diese kurze Abfahrt das Abfellen nicht auszahlen würde. Im Nachhinein ist man immer schlauer, es hätte sich auf jeden Fall ausgezahlt. Der nächste kurze Anstieg führte uns auf das Tor, wo uns ein kräftiger Nordwind entgegen blies. Diesmal waren wir schlauer und fellten ab. Mit der zunehmenden Höhe nahm auch die Festigkeit der Schneedecke zu und so wedelten wir auf einem angenehm zu fahrenden, harten Untergrund ins Windlegerkar hinüber. Nun hieß es wieder auffellen und gegen den kräftigen Wind ankämpfen. Die erste Hälfte des Kares ging es noch auf Schi hinauf, die steilere Hälfte stapften wir zu Fuß. Über einen kurzen Klettersteig und noch ein wenig mehr Stapferei erreichten wir die Windlegerscharte, wo wir wieder abfellten. Bei der Abfahrt zum Linzerweg fanden wir teilweise herrlichen Pulverschnee, damit hatte ich nicht gerechnet. Kurz war die Abfahrt und am Ende wurden die Schi wieder geschultert und es wartete wieder eine kurze Klettersteig-Passage oberhalb des Torsteiecks auf uns. Danach ging es noch ein kurzes Stück schräg bergab bevor wir wieder auffellten. Nach dem vielen auf und ab war ich nun froh, dass wir endlich dort angekommen waren, wo es zum Torstein nur mehr bergauf ging. Ein paar Schnaufer später standen wir unterhalb der imposanten Nordostrinne des Torsteins. Nun wurden die Schi gegen Steigeisen und die Stecken gegen Eisgeräte getauscht. Bei der Umzieh-Pause holten uns vier fitte Salzburger ein und nachdem ich den unteren Teil der Torstein-Eisrinne gespurt hatte, übernahm einer der vier den oberen Teil. Die Bedingungen in der Rinne waren recht gut; Blankeis glänzte nirgends hervor und großteils stapften wir in wunderbarem, kompakten Trittschnee. Nur ganz am Ende der Rinne kamen wir noch in eine felsige, mit Pulverschnee gefüllte Verschneidung. Nachdem der Spurer die Griffe und Tritte in der Verschneidung gut ausgegraben hatte, kamen wir alle problemlos hinauf. Nach einem flacheren Stück durfte ich dann noch den letzten Aufschwung auf den Gipfel spuren.
Am Gipfel war nicht besonders viel Platz, daher mussten wir schichtweise Gipfelfotos machen. Da die Bedingungen in der Rinne einen durchwegs positiven Eindruck gemacht hatten, entschloss ich mich die Abfahrt mit Schi zu wagen. Während ich mich oben herrichtete, stiegen die Anderen bereits zu Fuß ab. Die vermeintlich kritischsten Stellen waren die etwas felsdurchsetzte Einfahrt und die Steilstufe in der Mitte. Nachdem ich eine gute Linie durch die erste Schlüsselpassage gefunden hatte und ein paar schöne Schwünge in der oberen Hälfte setzen konnte, rätselte ich in der Steilstufe in der Mitte eine Zeit lang herum, wie ich dort am besten runter käme. Schlussendlich tretelte ich sie hinunter und rammte bei jedem Schritt den Schistecken ca 30cm tief in den Schnee. Unter der Steilstufe sprang ich einmal um und war im etwas flacheren Rinnenabschnitt angekommen. An der Stelle dachte ich mir, dass ich alle Schwierigkeiten hinter mir hatte und nur mehr ein paar Schwünge vom leichten Gelände entfernt wäre. Leider täuschte ich mich und alles kam anders als gedacht. Die Rinnenform in diesem Bereich war doch unangenehmer als gedacht. In der Mitte der Rinne war im Schnee eine Kante die sie in zwei Hälften teilte. In der orographisch linken Hälfte, wo auch unsere Aufstiegsspur war, ging es nur sehr leicht nach rechts abdrängend bei brauchbarer Steigung abwärts. Rechts von der Kante drängte das Gelände unangenehm zum rechten Rinnenrand. Als ich nun den ersten Schwung setzte, kam ich aus der linken, angenehmen Hälfte in die rechte, stark abdrängende Hälfte und stoppte erst beim Fels am Rinnenrand wieder. Nachdem ich dort einmal Umgesprungen war und die Schi wieder nach links, also in Richtung der angenehmeren Rinnenhälfte zeigten, versuchte ich hinüber zu queren. Direkt vor der Kante war der Schnee mittlerweile schon etwas aufgeweicht. Genau dort rutschten mir die Schi ab und ich stürzte in die Tiefe. Meine Schi und Stecken verabschiedeten sich sofort und ich versuchte mich so gut wie möglich auf den Rücken zu drehen, sodass vermeintlicher Felskontakt durch den Rucksack gedämpft würde. Nachdem ich über ein kleines Felsköpfl am orographisch rechten Rinnenrand an den Kollegen vorbei geflogen war, befand ich mich im Auslauf und versuchte nach ein paar Überschlägen im weichen Schnee Geschwindigkeit herauszunehmen. Das gelang mir gar nicht so schlecht und etwas weiter unten kam ich bereits wieder zum Stillstand. Bis auf ein oder zwei blaue Flecken und ein paar Löcher in Rucksack und Jacke war mir glücklicherweise nichts passiert. Kurz nach mir stürzte einer der Salzburger schon fast am Ende der Rinne auch noch hinterher, auch er blieb unverletzt, jedoch verlor er einen seiner Pickel. Ein andere Salzburger brachte mir netter Weise meine Schi mit (vielen Dank dafür!!!), die lagen noch immer in der Rinne. Meine Stecken fanden wir im Auslauf und sogar meine Sonnenbrille tauchte wieder auf. Nur der Pickel des Salzburgers blieb unentdeckt. Nach einer Jausenpause zum senken des Adrenalinspiegels, verabschiedeten wir uns von den Salzburgern (sie fuhren über die Windlegerscharte ab). Bei uns ging es über die Steinerscharte, vorbei am Schigebiet und durch den Rosmariestollen ins Edelgrieß. Während des Aufstiegs zur Steinerscharte beruhigte sich mein Körper ein wenig und verdaute den Schock und bei der Abfahrt von der Steinerscharte erholte ich mich auch mental wieder. So konnte ich die Abfahrt durchs Edelgrieß schon wieder voll und ganz genießen. Die Bedingungen im Edelgrieß waren um diese späte Tageszeit klarer Weise nicht mehr die besten, der Sulz war teilweise etwas tief, großteils ging es aber trotzdem noch sehr gut. Zurück beim Auto musste ich meinen Standard-Spruch beim LVS-Gerät ausschalten von 'Guat is gonga, nix is gschegn' zu 'Guat is gonga, wenig is gschegn' umformulieren.
Welche Lehren habe ich nun aus den heutigen Ereignissen gezogen? Zuallererst danke ich einmal meinem Schutzengerl, dass ich noch Lehren ziehen kann und diesen kapitalen Sturz quasi unbeschadet überstanden habe. Weiters werde ich in Zukunft mit geschulterem Auge und detailgenauer die Verhältnisse und vor allem auch die Geländeformen in derartigen Rinnen beurteilen und generell sicherlich schneller zu einem Abstieg als zu einer Abfahrt tendieren.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Tour selbst: Die Runde ist im Grunde absolut genial und wenn man sie zeitlich richtig erwischt, kann man bei allen Abfahrten perfekte Bedingungen finden. Der Gesamteindruck wird lediglich durch das häufige Auf- und Abfellen getrübt. Möchte man nur auf den Torstein gehen, ist der Auf- und Abstieg über die Windlegerscharte und die Schaidlalm denke ich angenehmer.

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