Samstag, 24. September 2016

Zugspitze

Nach der langen Zeit der Sportabstinenz war Melanies Bewegungsdrang nicht mehr zu zügeln. Daher wurde es mir trotz der herbstlich-kühlen morgendlichen Temperaturen bereits wenige Meter über der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn warm. Dass wir heute keine Einsamkeit finden würden, war von Anfang an klar. Immer wieder trafen wir auf größere und kleinere Wanderergruppen die mal besser, mal schlechter ausgerüstet waren. Scheinbar war es nicht nur unser Plan, den höchsten Berg Deutschlands ohne Aufstiegshilfe zu erklimmen. Wirklich störend waren die vielen Menschen aber noch nicht, wir kamen immer gut vorbei und ließen bald die Wiener-Neustädter-Hütte hinter uns. Nach wie vor waren wir im Schatten, jedoch beleuchteten ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen die Felsspitzen unterhalb der Zugspitze. Da sind wir mal wieder genau zur richtigen Zeit aufgestanden um ein wunderbares Naturschauspiel zu beobachten. Etwas Früher, dann wäre die Sonne noch zu tief gestanden und etwas später, dann wäre bereits das ganze Nordwestkar ausgeleuchtet gewesen. Kurz vor dem Einstieg in den Klettersteig setzten wir die Helme auf und los ging der Sprint auf allen Vieren. In etwa ab der Hälfte des Klettersteiges wurde der Wanderweg immer wieder von Schnee bedecken. Dadurch wurde es stellenweise rutschig und man musste etwas genauer darauf achten, wo man hin steigt. Wirklich störend war es aber nicht. Am Grat angekommen lachte uns endlich die Sonne ins Gesicht und die gefühlte Temperatur stieg sogleich enorm. Leider stieg auch die Zahl der Menschen am Weg deutlich an - man merkte, dass die Bergstation schon nahe war. So wurde Melanies Schlusssprint leider etwas eingebremst. All das war aber noch nichts im Vergleich dazu, was uns ganz oben erwartete. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass viel los sein würde rund um die Bergstationen der beiden riesigen Gondeln aus Tirol und Bayern, aber eine derart massive Verbauung des Gipfelbereiches hatte ich mir nicht vorstellen können. Eine riesige Betonplattform gefüllt mit Unmengen an Menschen, Souvenirläden, Gastronomie und einem Bratwurstgriller erwartete uns. Anders als bei vergleichbaren Liftanlagen war es hier nicht so, dass man mit High Heels und Handtasche etwas falsch platziert wirkte, hier waren wir Bergsteiger mit unseren lästigen Stecken und der verschwitzten Kleidung der Störfaktor. Von der Betonplattform sah man beinahe ebenerdig zum Touristengipfel hinüber, den wir uns trotz des großen Andrangs auch geben wollten. Also stellten wir uns in der Schlange an und verbrachten auf den letzten Metern zum Gipfelkreuz noch mal einige Zeit mit Warten. Schlussendlich standen wir in Mitten eines seltsamen Mixes aus Liftlern und Pseudobergsteigern am höchsten 'natürlichen' Punkt Deutschlands.
Das natürlich ist deshalb zu betonen, weil klarerweise die Gipfelaufbauten und die Kräne zur Erweiterung der Gipfelaufbauten deutlich höher waren als der Gipfel selbst. Vom Gipfel hinunter erwischten wir eine gute Welle und stauten kaum mehr. Zurück auf der Betonplattform setzten wir uns mit einem Radler und einer Brezn mitten hinein in den Trubel und genossen die herrlich warmen Sonnenstrahlen auf der Haut. Bevor wir den knieschonenden Abstieg mit der Bahn antraten, drehten wir noch eine Runde in den Menschenmassen. Irgendwie ist es doch beeindruckend wie es möglich ist, einen derartig riesigen Betonklotz direkt auf den spitzen Gipfel eines eigentlich relativ brüchigen Kalkstocks zu setzen.
Wenn man sich auf den starken Kontrast zwischen wunderschöner Naturlandschaft und einer seltsamen Menschenansammlung am Gipfel von vorne herein gefasst macht und die nötige Gelassenheit mitbringt, sodass es einem egal ist wenn mach sich als Bergsteiger am Gipfel von Modedirndlträgern anpöbeln lassen muss, dann ist die Tour auf die Zugspitze eine wunderschöne und abwechslungsreiche Unternehmung. Wenn man außerdem beleidigte Knie hat, die nur bergauf gehen können, dann ist die Tour dank der Abstiegshilfe perfekt.


Freitag, 16. September 2016

Bischofsmütze

Hans und Corina haben sich eine wirklich schöne Gegend ausgesucht um sich das JA-Wort zu geben. Da bot es sich an, dass Josef und ich einen Tag früher nach Filzmoos anreisten, um eine flotte Bergtour zu unternehmen. Ursprünglich hätte Melanie auch dabei sein sollen, aber ihre Knie waren noch nicht fit genug für den doch nicht ganz kurzen Abstieg. Aufgrund des tagsüber schlechter werdenden Wetters und der Tatsache, dass wir uns um 10:00 mit Melanie in Filzmoos treffen wollten, stand klarerweise ein Frühstart am Programm. Um 3:30 Uhr läutete der Wecker in Puch und um kurz nach fünf parkten wir bei der Unterhofalm. Der zu Beginn noch hell leuchtende Mond verschwand langsam hinter dem Horizont und es begann allmählich zu Dämmern. Bei der Hofpürglhütte erwischten wir nicht den kürzesten Weg ins Eiskarl, aber schlussendlich trafen wir hinein und am Eiskarlsattel war die Sonne schon fast aufgegangen. Vor dem Eiskarlquergang tauschten wir Stirnlampe gegen Helm und ein wenig leichte Kraxelei später standen wir vor dem Einstieg in die Kletterei in der Mützenschlucht. Dort legten wir das Seil an und ich sicherte Josef über die kurze Schlüsselstelle des Normalweges auf die Bischofsmütze. Weiter ging es am laufenden Seil über zwei nette, aber deutlich leichtere Aufschwünge und ein schöner Quergang leitete uns in die Mützenscharte. Genau habe ich den Originalweg in die Mützenscharte nicht erwischt, aber unsere Alternative war wahrscheinlich sogar schöner und auch nicht schwerer. Bohrhaken fand man dort halt keine. Nach der Mützenscharte nahm ich Josef ans Kurzseil und wir sprinteten die restlichen, vergleichsweise leichten Höhenmeter zum Gipfel hinauf.
Mittlerweile war die Sonne aufgegangen und die Bischofsmütze warf einen riesigen, pyramidenförmigen Schatten bis in den Höchkönig, ein wirklich beeindruckender Anblick. Wir genossen ein wenig die Aussicht, gönnten uns ein Stück Torte und machten uns bald wieder an den Abstieg. Bis zu den beiden Steilaufschwüngen in der Mützenschlucht stiegen wir am Kurzseil ab. Dort seilten wir uns einmal ab, gingen das leichte Zwischengelände wieder zu Fuß und seilten uns über die Einstiegsstufe noch mal ab. Etwas Gegenverkehr hatten wir mittlerweile, drei Seilschaften kamen uns beim Abseilen entgegen. Also hieß es nichts wie weg aus dem Steinschlagbereich. Etwas weiter unten packten wir Gurt und Seil wieder ein und stiegen noch mal konzentriert den Vorbau bis nach dem Eiskarlquergang ab. Ab dort nahmen wir ordentlich Fahrt auf und so schafften wir es mit glühenden Oberschenkeln tatsächlich noch vor zehn wieder zurück bei der Unterhofalm zu sein. Auch wenn meine Führer-Fähigkeiten noch verbesserbar sind, eine traumhafte Bergtour war heute trotzdem drin. Schließlich glich Josefs bergsteigerische Leistung meine fehlende Führer-Erfahrung allemal aus.
Es ist schön zu sehen, dass der Klettersteig-Boom scheinbar doch Grenzen kennt und so große Klassiker wie die Bischofsmütze von ihm verschont bleiben. So verlangt dieser majestätische Berg seinen Besteigern doch noch immer ein Mindestmaß an bergsteigerischem Können ab und ist nur sehr gut besucht und nicht heillos überlaufen.

Sonntag, 11. September 2016

Mittelbergferner

Für den Besuch von Daniel und Claudia bei uns in Tirol haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Die Beiden wollten auf dem Gletscher ein wenig Erfahrung sammeln und so stand ein Wochenende in der Höhe mit Übernachtung im Zelt am Plan. Um den Lagerplatz möglichst zeitsparend und knieschonend zu erreichen, fiel meine Wahl auf den Mittelbergferner zwischen Pitztal und Ötztal. Mit dem Pitztaler Gletscherexpress fuhren wir auf eine Höhe von ca. 2800m und stiegen von dort ein paar Höhenmeter ab, ehe wir den Gletscher betraten. Wenig später ließen wir das Schigebiet hinter uns und standen in dem beeindruckend großen Gletscherbecken auf der Nordostseite der Wildspitze. Von unserem Lagerplatz auf gut 3000m sah man keine Hinweise auf Zivilisation mehr und es kam ein wenig Expeditions-Feeling auf. Die Zelte aufzustellen war gar nicht so einfach, da die Heringe einfach nicht ins Blankeis hinein wollten und die Löcher, die wir mit den Eisschrauben bohrten, zu groß für die Heringe waren. Glücklicherweise war es nicht besonders windig und so reichten ein paar brauchbar platzierte Heringe und eine Eisschraube um die Zelte abzuspannen. Nachdem wir dieses Problem halbwegs gelöst hatten, erkundeten wir ein wenig die Umgebung und vertrieben uns die Zeit mit etwas Gletscherausbildung. Der tote Mann beispielsweise, den wir in einer Firnflanke gruben, wurde beim Rutschschaufelfahren getestet - sehr lustig. Einen Minigipfel erklommen wir auch noch, in der Scharte unterhalb des Schuchtkogels ragte ein kleiner Felsspitz hervor, von dem aus wir einen grandiosen Blick auf den Taschachferner und die Bergstation der Wildspitzbahn hatten.
Beim Rückweg zum Zeltplatz zog es zu und im Nachbartal sahen wir schon die düsteren Regenfäden unheilvoll näher kommen. Das Gröbste blieb uns aber glücklicherweise erspart und so kamen wir noch nahezu trocken zu den Zelten. Die ersten Regentropfen warteten wir im Zelt ab bevor wir kochen gingen. Dummerweise hatte ich vergessen, die Schutzkappe auf die Eisschraube zu geben bevor ich ins Zelt stieg und so schlitzte ich meine Isomatte auf. Anstatt auf einer bequemen Isomatte schlief ich somit auf drei Rucksäcken, was meinen Schlafkomfort nicht gerade verbesserte. So freute ich mich in der Früh riesig, als die scheinbar unendlich lange Nacht vorbei war und die Dämmerung den Gletscher in eine mystische Zauberlandschaft verwandelte. Die Anderen hatten auch kaum geschlafen, doch nach viel Tee und einem interessanten Frühstück war die lange Nacht schon fast vergessen. Spätestens die ersten Sonnenstrahlen und ein Schluck Ouzu zauberten allen ein Lächeln ins Gesicht. Da wir heute noch bis Graz fahren mussten und Daniel ein wenig mit Kopfschmerzen zu kämpfen hatte, beschlossen wir gleich alles zusammen zu packen und den Abstieg anzutreten. Die letzten Meter bergauf zur Gletscherbahn kamen wir noch mal ordentlich ins Schwitzen, aber auch diese Hürde meisterten wir. Zurück im Tal gönnten wir uns ein ordentliches Schnitzel ehe wir die lange Heimreise antraten.
Beim Schreiben dieser Zeilen ist die grauenhafte Nacht in der Erinnerung schon nahezu verblasst und die traumhaft schönen Momente an diesem Wochenende dominieren so stark, dass ich diese Tour definitiv wieder machen würde. Auch wenn das Übernachten am Gletscher im Zelt einige Schwierigkeiten mit sich bringt, die Ruhe und Einsamkeit und die unvergessliche Morgenstimmung wiegen den schlechten Schlaf locker auf.