Dienstag, 24. September 2013

Jäger, Sammler und Gintonic

Der Herbst hatte begonnen und es wurde noch mal warm. Das Wetter in der Obersteiermark konnte uns nicht locken, daher blieben Alex und ich im Grazer Bergland. Am Programm stand die Tour Gintonic in der Breiten Wand im Röthelstein Südgürtel. Bereits beim Zustieg merkten wir, dass dieser Wandbereich sich vermutlich weniger großer Beliebtheit erfreut als die Rote Wand. Zumindest waren die Wege deutlich verwachsener, ein guter Pfad führte uns direkt zum Einstieg des Sportmuffelweges. Der Kletterführer verriet uns, dass gleich in der Nähe eine scheinbar schöne Tour mit nur zwei Seillängen zu finden ist. Wir beschlossen diese Tour quasi als Aufwärmer zu gehen. Wenig später musste ich mir leider eingestehen, dass die Tour mit Namen 'Jäger und Sammler' heute etwas zu hart für eine Aufwärmtour war und so benötigte ich für die erste Seillänge etwas länger als gedacht. Die zweite Seillänge teilten wir auf zwei Etappen auf, da von dem Abseilstand in der Mitte aus nicht allzu gut einsehbar war, wie die Route weiter ging. Mit vier Augen entdeckten wir die Line doch noch und vollendeten die Tour. Nach einer dornigen Abseilfahrt suchten wir den Einstieg unserer eigentlich geplanten Tour. Der Weg dorthin war teils verwachsen, teils erdig und zusammengefasst deutlich schlechter angelegt bzw. ausgetreten wie die Wege bei der Roten Wand. Schlussendlich standen wir aber doch voller Motivation am Einstieg der Tour 'Gintonic'.
Alex startete und kam ohne Probleme zum ersten Stand. Bei der zweiten Seillänge kam ich mir stellenweise 5cm zu klein vor. Zumindest passierte es mir öfter, dass ich den nächsten Henkel gerade nicht erreichte. Ich benötigte zwar etwas länger, im Endeffekt lösten sich die Kletterstellen aber doch immer ganz gut auf. Die Schlüsselseillänge ging Alex gut auf und so standen wir nach einem grasigeren Zwischenspiel vor der Abschlusswand. Leider lasen wir die Linie nicht ganz richtig und so blieb Alex der Rotpunkt verwehrt. Aber egal, die beiden Touren des heutigen Tages sind trotz des teilweise unguten Zustieges und der etwas weiten und ungewohnten Kletterei wiederholenswert.

Freitag, 6. September 2013

Mont Blanc

Ab und zu schadet ein bisschen über den Tellerrand hinausblicken auch nicht. In meinem Fall ist der Tellerrand die Bergwelt von Salzburg und der Steiermark, immerhin sind ungefähr 99% meiner Touren in diesem Gebiet. Naja, hin und wieder Paklenica ist noch dabei, aber das ist schon fast Steiermark ;-). Am Montag um Mitternacht fuhren Uli, Melanie und ich also Richtung Tellerrand und landeten weit außerhalb des Tellers in Chamonix. Nach ein paar Abklärungen im Tourismusbüro und der OHM (Office de haute montage) stärkten wir uns noch mit einem Linseneintopf und schon ging es los in Richtung Mer de Glace. Ein paar Stunden später kamen wir bei der Endstation der Zahnradbahn Montenvers an und fanden uns in einem Rudel Menschen auf Leitern wieder. Über diese Leitern ging es 80hm bergab und schon waren wir am Gletscher. Auch dort wurdelte es fast wie in einem Ameisenhaufen. Eine weitere halbe Stunde später waren wir wieder fast allein. Die Aufstiegshilfe hatte keinen allzu großen Einflussbereich und wir genossen die wiedergewonnene Ruhe. Beim Übergang vom Mer de Glace zum Glacier du Tacul unterschätzte ich leider den Gletscherbruch und so verloren wir viel Zeit mit Spaltenspringen und waren Stunden später lediglich ein paar Meter weiter. Doch nun befanden wir uns orographisch links auf der Moräne und kamen im losen Schotter endlich wieder voran. Wirklich schnell waren wir dort leider auch nicht und im Nachhinein wäre es besser gewesen, direkt nach dem Bruch wieder auf den Gletscher zurück zu queren. Wir blieben aber auf der Moräne und bahnten uns mühsam unseren Weg durch den Schotterhaufen. Den Übergang vom Gletscher zum Fels fanden wir glücklicherweise noch bei Dämmerung und mit Stirnlampe bewaffnet stiegen wir die Leitern zum Refuge du Requin auf. Bald schon kamen mehr und mehr Sterne hervor und bei der Hütte angekommen war die Milchstraße deutlich zu sehen. Ich fürchte meine Begleiter konnten die wunderschöne Aussicht nicht ganz so genießen wie ich und waren froh, als wir im Winterlager der Hütte unsere Jause auspackten. Die Hütte hatte am vergangenen Wochenende die Bewirtschaftung eingestellt, das Winterlager war jedoch groß und wunderschön und wir genossen die Einsamkeit und Ruhe, insbesondere mit der Vorahnung auf Massentourismus gegen Ende der Tour.
Da wir alleine im Winterlager waren und am Vortag spät ins Bett gekommen waren, schliefen wir uns am Dienstag aus. Die Sonne stand schon hoch als wir fertig gefrühstückt hatten und uns auf den Weg machten. Die Seracs du Géant umgangen wir soweit es ging orographisch links über die Felsen und querten an einer Stelle mit stabil wirkenden Eisbrücken hinüber zu spaltenfreieren Bereichen des Gletschers. An diesem Tag versuchte ich noch so viel Einsamkeit wie möglich aufzusaugen und anzusparen, da wir schon bald wieder auf viele viele Menschen treffen würden. Hinauf über den Glacier du Géant freute ich mich noch über jeden Schritt den ich in den unberührten Gletscher setzten durfte und über jede Entscheidung die wir für die Routenwahl trafen. Doch alles hat ein Ende und so fanden wir uns am Nachmittag mit einem Radler in der Hand auf der Sonnenterrasse der Rifugio Torino wieder. Die Hütte war groß und schön und rundherum wurde an der Seilbahnstation gebaut.
Der dritte Tag der Tour war zur Regeneration und Akklimatisation gedacht, daher gingen wir lediglich zum Refuge des Cosmiques mit einem kleinen Abstecher zum Fuße des Grand Capucin. Wir hatten abermals traumhaft schönes Wetter und die Granitnadeln ringsum leuchteten aus dem Gletscher heraus. Auf dem ausgetretenen Gletscherpfad kamen wir schnell voran und waren bereits am Vormittag beim Refuge des Cosmiques. Im Sinne des Regenerationstages und da am nächsten Tag aufstehen um halb eins am Programm stand, legten wir uns am Nachmittag ein paar Stunden nieder. Wirklich schlafen konnte ich nicht, es geht dabei jedoch sowieso hauptsächlich darum, dem Körper Ruhe zu gönnen. Nach dem Abendessen gingen wir gleich wieder zu Bett um weitere vier Stunden ohne wirklichen Schlaf ruhig zu liegen.
Mittlerweilen war es Donnerstag und zwanzig Minuten nach Mitternacht hatte ich das schlaflose Liegen satt. Da es im Lager bereits etwas lauter wurde, ahnte ich, dass es sowieso bald zum Aufstehen war. Wozu dann noch so tun als ob man schläft? Dann standen wir eben ein paar Minuten früher auf. Nach Morgentoilette und einem guten Frühstück wurde angedirndlt und schon stapften wir im Mondschein über den Gletscher. Wieder mal fühlte ich mich wie am Sankt-Martins-Tag und mir ging beim Anblick des leuchtenden Wurmes der sich den Berg hinauf schlängelte das Lied 'Ich gehe mit meiner Laterne...' nicht aus dem Kopf. Über die Flanke des Mont Blanc du Tacul staute es sich teilweise ein wenig, insbesondere bei der Leiter, welche zum Überwinden einer Spalte angebracht worden war. Wir konnten glücklicherweise ein paar Seilschaften überholen und bis zum Col Maudit hatten wir vor uns freie Bahn. Die Flanke des Mont Maudit kamen wir auch gut voran, lediglich am Ausstieg zum Col du Mont Maudit, der steilsten und anspruchsvollsten Stelle, mussten wir wieder ein wenig warten. Am Col de la Brenva machten wir eine längere Pause. Wir bewunderten den Sonnenaufgang und genossen die ersten Sonnenstrahlen auf der wenigen Haut die nicht unter Gewand verborgen war. Der restliche Anstieg war nur mehr gehen, einen Fuß vor den anderen setzen, stetig bergauf. Etwas müde kamen wir am Gipfel an und teilten die Gipfelfreuden mit ungefähr 50 anderen Personen die zur gleichen Zeit oben waren.
Die meisten waren von unserem Ziel, dem Refuge du Goûter, gekommen. Trotzdem war es schön dort oben und wir hatten eine unglaubliche Weitsicht. Matterhorn und Monte Rosa Massiv schienen zum Greifen nahe und im Tal lag Tiefnebel. Von einem älteren Herrn bekam ich dann noch einen seltsamen Gewürzwein, vermutlich mein ekelhaftester 'Gipfelschnaps' bisher, und dann gingen wir über den Bosessengrat mit viel Gegenverkehr hinunter zum Vallot Bivak. Dort legten wir Gewand ab und stapften weiter über den Dôme du Goûter zu unserer Hütte. Wieder kamen wir noch am Vormittag an, diesmal wollten wir uns aber nicht mehr niederlegen und daher verbrachten wir den restlichen Tag mit Kuchen essen, Kartenspielen und Bier trinken.
Am Freitag stand nur noch der Abstieg am Programm, wobei 'nur' etwas untertrieben ist. Immerhin hatten wir beschlossen nicht die Tramway du Mont Blanc zu nehmen und daher 2800hm Abstieg bis Les Houches vor uns. Der als so überaus gefährlich und anspurchsvoll angekündigte Abschnitt vom Refuge du Goûter zum Glacier de Tête Rousse stellte sich als Wanderweg mit sehr viel Seilversicherung heraus, bei dem man hin und wieder seine Hände benutzen konnte/musste. Die Querung des Grand Couloir war ebenfalls unproblematisch, wir waren aber auch in der Früh dort und es waren oberhalb noch kaum Personen unterwegs. Daher war es verständlich, dass kein Steinschlag zu befürchten war. Nachdem alle Schwierigkeiten und Gefahren nun hinter uns lagen war Zeit für ein bisschen Blödsinn. Wir hatten die ganze Tour unsere Rutschschaufel mit gehabt und bisher noch nicht zum Einsatz gebracht da der Tête Rousse Gletscher das letzte Stückchen Schnee war konnte ich nicht anders, ich musste es probieren. Leider war um diese Zeit noch kein Sonnenstrahl auf den Gletscher gefallen und nach einem Meter Fahrt stand ich mit schmerzendem Hintern wieder auf, aber lustig war es trotzdem. Beim weiteren Abstieg kamen wir von der kargen Fels-Gletscher-Landschaft in zunehmend bewachseneres Gebiet. Bei der Bahnstation wuchs bereits überall wieder Gras und eine weitere Stunde später befanden wir uns im Wald. Nach vier Tagen am Gletscher war das ganze Grün fast ein bisschen seltsam. Noch schlimmer wurde der Kulturshock im Tal. Von Les Houches fuhren wir mit dem Zug zurück nach Chamonix und dort im Wagon kam ich mir doch sehr fehl am Platze vor. Naja, so ist das eben wenn man verschwitzt und stinkend nach mehreren Tagen in der Höhe wieder mit normalen Menschen in Kontakt tritt, kaum ist man unten will man schon wieder hinauf flüchten.