Sonntag, 1. November 2015

Kaffee&Kuchen

Nach einer erholsamen Nacht in der Casa-Hans starteten wir gegen halb 5 zu unserem heutigen Ziel am Traunsee, der Tour "Kaffee&Kuchen" in der Traunstein Westwand. Bei Dunkelheit und 5°C marschierten wir vom Parkplatz am Ostufer lost. Der Zustieg überraschte mit steilen Erd- und Grasleitn sowie leichter Kraxelei, da kann man schon fast von alpinem Charakter sprechen. Beim Einstieg angekommen dämmerte es bereits und der Blick hinab auf den Traunsee öffnete sich. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass auch heute wieder eine landschaftlich und wettertechnisch traumhafte Tour vor uns lag. Die Wärme vom Zustieg nahmen wir gleich mit in die ersten Seillängen und so musste ich an diesem schönen Tag nie frieren, nur den Zehen wurde zu Beginn etwas kühl. Den ersten Abschnitt über die Plattenrampe brachten wir schnell hinter uns und bald befanden wir uns in der bereits von weitem zu sehenden, spektakulär-steil wirkenden Flasche. Die vier ansprechenden Seillängen durch die Flasche waren, auch wenn nicht immer alles ganz fest war, von der Kletterei her sehr schön und lösten sich super auf. Die darauf folgenden leichten Seillängen erledigten wir in einem Rutsch und gönnten uns vor der 16. Seillänge eine Müsliriegel Pause. Gestärkt ging es weiter, doch leider lösten sich die Rotpunkt-Ambitionen sogleich auf den nächsten Metern in Luft auf. Eine nicht ganz leicht zu lesende Einzelstelle in der 16. Seillänge forderte den ersten Sitzer, doch es sollte nicht der einzige bleiben. Ab der Pause wurde die Felsqualität deutlich besser, in großteils kompaktem Fels ging es genussvoll weiter. In der 20. Seillänge wartete eine glatte Reibungsstelle auf uns, die wir um Kraft und Zeit zu sparen kurzerhand nullten. Ein paar weitere schöne Klettermeter führten uns zur 24. Seillänge, wo ein toller Steilaufschwung die schon etwas müden Unterarme noch mal gehörig forderte. Die anschließende Schlüsselseillänge nahmen wir von Anfang an gemütlich in Angriff, ich setzte mich alle paar Haken ins Seil um mir noch Kraft für das Finale aufzusparen. Grundsätzlich löste sich aber alles sehr gut auf und es gibt brauchbare Rastpunkte, weshalb die Bewertung vermutlich gut passt. Vor einem Höhlenportal gab es eine kurze Suppenpause bevor wir den letzten Abschnitt angingen. Auch wenn die Fluchtmöglichkeit durch den natürlichen Tunnel äußerst lustig aussah, wir hätten dadurch drei sehr schöne Seillängen versäumt. Das Finale ließ unser Klettererherz noch einmal höher Schlagen und insbesondere die letzte Seillänge war Genuss pur. Allein der Ausblick vom Abschlussstand war es Wert, die müden Unterarme ein letztes Mal zupacken zu lassen.
Vom Ausstieg ging es teils durch Latschen, teils dem Grat entlang aufwärts. Ich vermute, dass wir den Weg nicht ganz ideal erwischten. Egal, schlussendlich waren wir bei der Naturfreundehütte, wo wir leider feststellen mussten, dass sie nicht mehr bewirtschaftet war. Im Winterraum standen aber noch ein paar Getränke weshalb es anstelle von Kaffee&Kuchen Radler&Allerheiligenstriezel gab. War mir aber sowieso lieber, ich mag eh keinen Kaffee. Gestärkt traten wir den Abstieg über den Naturfreundesteig an, wo es bald zu dämmern anfing und wir ungefähr ab der Hälfte die Stirnlampen benötigten. Stimmungsvoll verabschiedete sich die Sonne und bald gingen die Lichter in den Häusern um den Traunsee an. Die nächtlichen Lichtspiele im See rundeten das Gesamterlebnis des Tages noch mal wunderschön ab.
Für einen reinen Plaisier-Kletterer ist die Tour "Kaffee&Kuchen" sicherlich nicht das Richtige, dazu ist alleine der Zustieg schon zu abenteuerlich. Die Absicherung in der Tour selbst ist dafür wiederum dichter als in vielen Plaisier-Routen, dafür ist der Fels nicht immer ganz fest. Für einen ambitionierten Kletterer bietet die Tour jedenfalls ein tolles Gesamterlebnis bei dem keinerlei Vorstiegsmoral nötig ist aber die Unterarme ordentlich auf Langzeitbelastung getestet werden.

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