Heute wollten Hans und ich eigentlich hauptsächlich ein wenig die Gegend erkunden und eine relativ kurze Kletterei zum Antesten machen. Bereits von der Früh weg war der Himmel über unserem Zeltplatz beim Col du Midi blau und uns erwartete ein herrlich sonniger Tag. Nachdem wir uns an dem wunderschönen Sonnenaufgang über den Grandes Jorasses satt gesehen hatten, packten wir gemütlich zusammen und machten uns auf den Weg in Richtung Pointe Helbronner. Da wir dachten, bald wieder zurück zu sein, packten wir relativ wenig zu Trinken und Essen ein. Durch unseren gemütlichen Start in den Tag waren wir spät genug, sodass der Weg zum Pointe Helbronner bereits gespurt war. Zwischen Gros Rognon und Pointe de Lachenal ging es hinab zum Tiefstpunkt des Tages am Glacier du Geant, ehe wir durch ein beeindruckendes Spaltenlabyrinth wieder aufwärts stapften. Weit ausholend querten wir in das Becken unterhalb des Grand Capucin. Dieser war jedoch nicht unser Tagesziel, wir hatten uns für den deutlich kleineren und weniger markanten Chandelle du Tacul entschieden. Schließlich wollten wir heute nur eine kurze Eingehtour machen. Nachdem wir für den Zustieg über 3 Stunden benötigt hatten, war uns jedoch klar, dass es kein ganz kurzer Tag werden würde. Beim Einstieg angekommen erwartete uns bereits das nächste Problem; eine massive Randkluft versperrte uns den Zugang zum eigentlichen Einstieg der Tour und wir mussten die erste Seillänge über die Schneise zwischen Chandelle und Trident umgehen. Nach ein paar Meter Steigeisen-Gewackle am Fels schaffte ich es auf den schottrig-eisigen Bereich der Umgehung. Etwas über mir war eine Engstelle wo ein kleiner Bach und immer wieder ein paar kleine Steine herabrieselten. Eigentlich wollte ich möglichst schnell durch diese Engstelle durch. Leider schaffte ich es aber nicht schnell genug und mich traf ein faustgroßer Stein mitten im Gesicht. Anschließend prallte er noch an meinem linken Arm ab, das merkte ich aber in dem Moment noch nicht wirklich. Ich hatte Glück im Unglück, den Großteil der Wucht hatte meine Sonnenbrille abgefangen, bei der das Glas herausgesprungen war. Trotzdem tropfte die rote Suppe über mein Gesicht, also irgendwo musste ich scheinbar doch ein Leck haben. Für Wehleidigkeiten war aber nicht der richtige Zeitpunkt, ich musste zusehen, dass ich zum ersten Stand kam und dann würde mir Hans schon sagen können, wie schlimm ich wirklich getroffen wurde. Also ging es zunächst über Eis und etwas weiter oben über leichten Fels zum ersten Stand. Hans war bald bei mir und konnte Entwarnung geben, es hing nichts hinab und die Blutung war in der Zwischenzeit auch gestockt. Also stand unserem weiteren Aufstieg nichts im Weg. Endlich zogen wir die Kletterschuhe an und ließen das Eis hinter uns. Mit dem herrlichen Granit in den Händen und unter den Füßen fühlte ich mich gleich viel wohler. Dass Hans die erste Seillänge vorstieg, gab mir Zeit, den Schock vom Steinschlag noch weiter zu verarbeiten und ich kam ganz gut ins Klettern. In der anschließenden interessante Risslänge musste ich mich trotzdem ein paar Mal ins Seil setzten. Ein wenig merkte ich den Steinschlag an der Leistungsfähigkeit meiner linken Hand, so richtig fit würde ich wohl an diesem Tag nicht mehr werden. Egal, für diese eigentlich kurze Tour sollte es schon reichen. Nach zwei weiteren sehr schönen Seillängen und einem luftigen Quergang standen wir unter der Schlüsselseillänge. Es war einiges an altem Material vorhanden und ich nullte mich damit und mit ein paar frischen Cams hinauf. Gegen Ende der schweren Passage kam ein etwas weiterer Hakenabstand und ein Riss, der zu schmal für meine Cams war. Die Keile hatte ich leider bei Hans gelassen und so versuchte ich, den nächsten Haken in freier Kletterei zu erreichen. Nachdem ich drei Mal gestürzt war und meine Kräfte von Versuch zu Versuch weniger wurden, musste ich mich geschlagen geben und trat den Vorstieg an Hans ab. Er platzierte einen Keil recht brauchbar und kam ohne Probleme zum nächsten Haken. Ich hingegen plagte mich auch im Nachstieg und war froh als ich beim nächsten Stand ankam. Mittlerweile war es schon recht spät und ein paar Klettermeter hatten wir, bis zum Gipfel, noch vor uns. In der nächsten Seillänge kam ich anfangs gut voran. Unterhalb eines breiten Verschneidungsrisses kniff ich aber nach links aus, wo ich einen Stand (vermutlich von einer anderen Tour) fand. Hans bügelte meinen Auskneifer wieder aus und wir standen endlich am beeindruckend schmalen Gipfel des Chandelle du Tacul.
Viel Zeit zum Gipfelglück genießen hatten wir nicht. Wir wollten zusehen, dass wir zügig wieder zu unserem Rucksackdepot kamen. Die Abseilfahrt ging großteils über die Tour 'Tabou', wo wir mit unseren 60 Meter Halbseilen den ersten Stand übergehen konnten und direkt vom Gipfel das Band mit dem luftigen Quergang erreichten. Mit etwas vorsicht ließ sich das Seil auch brauchbar abziehen und wir wollten den nächsten Stand auch übergehen. Versehentlich überging ich aber zwei Stände der Tour 'Tabou' und wäre als nächstes in unserem zweiten Stand gewesen. Das ging sich aber um wenige Meter nicht aus. Ich hatte keine Lust mich am Seil wieder hinauf zu arbeiten und so ließ mich Hans die letzten paar Meter zum Stand ab. Hans musste dann, klarer Weise, zwei Mal bis zu mir abseilen. Unglücklicher Weise verhakte sich das Seil nach dem ersten Abseiler, heute war wirklich nicht unser Glückstag. Vom unteren Stand sicherte ich Hans während er die Seilverklemmung löste. Die letzten beiden Abseilfahrten liefen problemlos und so standen wir gegen 7 Uhr wieder am Gletscher. Zu Trinken und Essen hatten wir nicht mehr viel und so wurde der Rückweg zu unserem Lagerplatz ziemlich mühsam. Versüßt wurde uns die Zeit immerhin mit einer traumhaft schönen Abendstimmung und auch der hell leuchtende Mond tat sein bestes, um uns bei Laune zu halten. Zurück beim Zelt verbrachten wir die restliche Zeit bis Mitternacht mit kochen und essen.
Auch wenn er deutlich weniger markant und mächtig ist wie sein großer Bruder, der Grand Capucin, so ist die Kletterei am Chandelle du Tacul doch auch sehr lohnenswert. Ausgesetzte, steile Granitkletterei vom feinsten macht Lust auf mehr. Lediglich zu Beginn ist vorsicht geboten um dem Steinschlag aus der Schneise zwischen Chandelle und Trident zu meiden. Der Zustieg vom Col du Midi war weiter als wir uns gedacht hatten, zumindest wenn man die weit ausholende Schleife Richtung Pointe Helbronner mitnimmt. Den direkteren Weg unterhalb des Pointe Adolphe Rey hätten wir selber spuren müssen, was wir uns bei diesem Spaltenlabyrinth nicht so recht zugetraut hatten.
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