Sonntag, 18. August 2019

Großvenediger Nordgrat

Ein letztes Mal durften Melanie und ich das reichhaltige Frühstück auf der Kürsingerhütte genießen. Gestärkt und hoffnungsvoll nahmen wir erneut den Nordgrat des Großvenedigers in Angriff. Bei strahlend blauem Himmel und mit unseren bereits vor zwei Tagen angelegten Spuren erreichten wir den Einstieg zum Grat heute deutlich schneller. Dafür waren wir nicht die Einzigen die die guten und vor allem nahezu schneefreien Bedingungen am Grat nutzen wollten. Als ich auf den ersten Metern des Grates definitiv nicht die leichteste Variante wählte, zogen die anderen drei Seilschaften an uns vorbei. Nach dem etwas vermurksten Start kamen wir aber bis zur Keidel-Scharte gut ins Klettern und es machte richtig Spaß. Der darauf folgende Aufschwung Richtung Torwächter war teilweise etwas bröselig-erdig. Das Gelände war aber einfach genug, sodass das nicht wirklich störte. Zwei Seilschaften hatten in der Meynow-Scharte eine Jausenpause gemacht und ließen uns wieder vorbei. Der darauffolgende Abschnitt in der herrlichen Granitwand links des Grates war der reinste Traum. Kompakter Granit vom Feinsten und anregende Kletterei bei Sonnenschein - was will man mehr. Als wir wieder den Grat erreichten, war ich fast ein wenig wehmütig, dass dieser geniale Abschnitt schon vorbei war. Aber auch der folgende, recht einfache Gratabschnitt war schön. Mehr und mehr näherten wir uns der Schlüsselpassage, in der schon eine gefühlte Ewigkeit eine Seilschaft feststeckte. Bevor der Grat aufsteilte, bastelte Melanie einen Stand und ich bewegte mich langsam in Richtung der Dreierseilschaft. Auf einem Absatz unterhalb der 'bösen Platte' wartete ich, bis es wieder voran ging. In der Zwischenzeit hatten auch die anderen beiden Seilschaften wieder aufgeschlossen und es wurde nett geplaudert. Als die Bahn dann wieder frei war, durfte ich die herrliche und meiner Meinung nach gar nicht böse Platte in vollen Zügen genießen. Durch die üppige Absicherung mit Bohrhaken hat die Platte vermutlich auch einiges an ihrer Boshaftigkeit verloren. Nach dem darauffolgenden kurzen Quergang wurde der Grat wieder deutlich leichter und wir waren in wenigen Minuten am Gipfel.
Auch wenn wir heute nicht alleine am Gipfel waren, die sonnige Jausenpause war trotzdem ein Genuss. Gestärkt ging es über den Gletscher-Trampelpfad und Wanderwege vorbei an der Kürsingerhütte hinab zur Talstation der Materialseilbahn, wo schon unsere Fahrräder auf uns warteten. Einen Zwischenstopp bei der sympathischen Postalm legten wir noch ein, wo wir mit einer köstlichen hausgemachten Frittatensuppe und einem erfrischenden Radler verwöhnt wurden. Anschließend trugen uns die Fahrräder für meinen Geschmack teilweise fast zu schnell hinab zum Auto.
Der Nordgrat des Großvenedigers bietet so ziemlich alles, was man sich von einem schönen Grat erhofft. Er hat eine ansprechende Länge mit vielen leichteren Gratmetern doch auch einigen interessanteren Kletterabschnitten gekrönt von dem herrlichen Finale über die 'böse Platte' und endet direkt auf dem dominantesten Gipfel der Region mit herrlichem Weitblick. Der mit Abstand schönste Abschnitt des Grates ist der Letzte ab der Meynow-Scharte. Dennoch verpasst man definitiv was, wenn man erst hier einsteigt und sich den unteren Abschnitt erspart. Also lautet mein Tipp: Einfach ein bisschen früher aufstehen und den gesamten Grat machen.

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