Samstag, 14. Juli 2018

Große Pleite

Als Uli und ich heute Morgen bei dem 'Nationalpark Gesäuse' Schild vorbei fuhren, fühlte es sich für mich irgendwie an wie wenn ich heimkommen würde. Auch wenn ich in letzter Zeit viel zu selten hier gewesen war, das Xeis ist und bleibt für mich ein Ort, mit dem ich mich ganz tief verbunden fühle. Mit Abstand am intensivsten spüre ich diese Verbundenheit in der Dachl Nordwand, unserem heutigen Ziel. Bis oben hin voll mit Vorfreude ging es an der Haindlkarhütte vorbei zum Einstieg in die Zustiegs-Kraxelei. Dass die Zustiege über den Dachl-Vorbau kein Spaziergang sind, war mir von früheren Unternehmungen noch gut in Erinnerung. Mit der nötigen Konzentration standen wir aber bald am Einstieg der Tour 'Große Pleite'. Zugegeben, das Stahlseil half im teils glitschig nassen Anfangsabschnitt doch mehr als gedacht. Die ersten Seillängen waren gelegentlich ein wenig brüchig, allgemein war der Fels aber überwiegend kompakt. In der dritten Seillänge war noch der eine oder andere Bröselzug, insgesamt machte sie aber einfach nur Lust auf mehr. Direkt im Anschluss musste ich jedoch feststellen, dass meine Tagesform zu wünschen übrig ließ. Das Herprügeln einer seichten Zange wollte meine rechte Hand nicht so umsetzten wie es mein Kopf gerne gehabt hätte und so baumelte ich das erste Mal im Seil. War aber kein Problem da die Tour wirklich gut mit Bohrhaken abgesichert ist. Nun ging es anhaltend schwierig über viele herrliche Plattenklettermeter aufwärts. Um Zeit und Energie zu sparen nullte ich mich immer wieder über Stellen drüber, die sich nicht gleich auflösten. Das war aber kein Grund dafür, die herrliche Kletterei dazwischen nicht zu genießen. Nach dem ersten schweren Abschnitt nahm die Steigung der Wand etwas ab und gemütliches Gelände führte uns zu einer langen Verschneidung mit plattigem Ausstieg. Der darauffolgende Abwärts-Quergang löste sich gut auf. Jedoch am Ende las ich die Linie irgendwie falsch und brauchte wieder mal Hakenhilfe, um mich aus der Reibungsplatten-Sackgasse zu befreien. Nach einer kurzen Müsliriegel-Energietank-Pause ging es über anregende Plattenkletterei weiter zur Fickert-Kanzel. Eigentlich wollten wir dort die rechte Variante der Tour gehen. Dazu hätte ich aber nicht auf die Fickert-Kanzel hinauf dürfen sondern hätte vorher schon nach rechts abbiegen müssen. Aus dem Topo hatte ich das nicht herausgelesen, daher standen wir jetzt in der linken Variante. Um der ganzen Varianten-Verwirrung noch die Krone aufzusetzen, ging ich auf der Fickert-Kanzel zu weit nach links und landete in der Tour 'Nordwand'. Das war aber auch kein Schaden, über einen wunderschönen Riss kamen wir in drei ebenfalls gut abgesicherten Seillängen zurück zum richtigen Stand in einer Nische.
Dort ließ es sich sehr gut aushalten und wir machten eine ausgiebige Jausenpause in der Sonne. Das Wetter war uns wohlgesonnen, rundherum zogen dunkle Wolken auf und später hörten wir sogar Donnergrollen. Wir blieben aber völlig trocken und großteils war der Himmel über uns sogar blau. Eine beeindruckende Stimmung wurde uns da geboten von dieser traumhaften Naturkulisse. Gestärkt kletterten wir weiter und ich las das Topo noch ein zweites Mal falsch. Laut Topo sollte es vor dem Beginn des Überhanges bereits vom Ringband weg nach oben gehen. Dort fand ich jedoch keine Haken vor und querte einige Meter weiter oben erst nach rechts in die eigentliche Linie. Scheinbar wäre es doch erst weiter rechts vom Ringband weg nach oben gegangen. Im relativ leichten und kompakten Gelände in dieser Gegend war das aber auch wieder kein Problem. Zum Abschluss entschieden wir uns für die Wulst-Ausstiegs-Variante und versuchten die eigentlich wirklich schönen Plattenklettermeter mit den verbliebenen Energiereserven noch so gut es ging zu genießen. Als Finale erwartete uns noch ein interessanter Riss, der mir noch mal einiges abverlangte. Am Gipfel gab es noch einen Müsliriegel als Stärkung für den langen Abstieg. Langsam und konzentriert aber beständig stiegen wir ab und kamen im letzten Dämmerlicht beim Auto an. Wieder einmal hat das Gesäuse meine Erwartungen übertroffen und uns einen lange, anstrengenden, eindrucksvollen, atemberaubenden und unvergesslichen Tag beschert. Egal wie lange es dauert, ein Wiedersehen mit dem Gesäuse macht immer Freude.
Das Zitat 'Insgesamt eine tolle Tour, die das Herz des alpin angehauchten Sportkletterers höher schlagen lässt' aus der ersten Auflage des Kletterführers 'Xeis Auslese' würde ich zwar nicht in allen Punkten unterschreiben, mein 'Herz' hat diese 'tolle Tour' aber auf jeden Fall 'höher schlagen' lassen. Ein hauch Alpinist im Blut ist aber, denke ich, etwas zu wenig um die Tour wirklich genießen zu können. Allein am Zustieg würde vermutlich so mancher lediglich 'alpin angehauchte Sportkletterer' verzweifeln und auch mit den kurzen und kaum störenden brüchigen Abschnitten in der Tour muss man umgehen können. Die Absicherung passt aber auf jeden Fall für den 'alpin angehauchten Sportkletterer' und die Wegfindung stellt grundsätzlich auch keine Schwierigkeit dar. Dass ich diese beeindruckende und wunderschöne Tour jedem Empfehlen würde der ihr gewachsen ist, das versteht sich wohl von selbst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen