Sonntag, 11. September 2016

Mittelbergferner

Für den Besuch von Daniel und Claudia bei uns in Tirol haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Die Beiden wollten auf dem Gletscher ein wenig Erfahrung sammeln und so stand ein Wochenende in der Höhe mit Übernachtung im Zelt am Plan. Um den Lagerplatz möglichst zeitsparend und knieschonend zu erreichen, fiel meine Wahl auf den Mittelbergferner zwischen Pitztal und Ötztal. Mit dem Pitztaler Gletscherexpress fuhren wir auf eine Höhe von ca. 2800m und stiegen von dort ein paar Höhenmeter ab, ehe wir den Gletscher betraten. Wenig später ließen wir das Schigebiet hinter uns und standen in dem beeindruckend großen Gletscherbecken auf der Nordostseite der Wildspitze. Von unserem Lagerplatz auf gut 3000m sah man keine Hinweise auf Zivilisation mehr und es kam ein wenig Expeditions-Feeling auf. Die Zelte aufzustellen war gar nicht so einfach, da die Heringe einfach nicht ins Blankeis hinein wollten und die Löcher, die wir mit den Eisschrauben bohrten, zu groß für die Heringe waren. Glücklicherweise war es nicht besonders windig und so reichten ein paar brauchbar platzierte Heringe und eine Eisschraube um die Zelte abzuspannen. Nachdem wir dieses Problem halbwegs gelöst hatten, erkundeten wir ein wenig die Umgebung und vertrieben uns die Zeit mit etwas Gletscherausbildung. Der tote Mann beispielsweise, den wir in einer Firnflanke gruben, wurde beim Rutschschaufelfahren getestet - sehr lustig. Einen Minigipfel erklommen wir auch noch, in der Scharte unterhalb des Schuchtkogels ragte ein kleiner Felsspitz hervor, von dem aus wir einen grandiosen Blick auf den Taschachferner und die Bergstation der Wildspitzbahn hatten.
Beim Rückweg zum Zeltplatz zog es zu und im Nachbartal sahen wir schon die düsteren Regenfäden unheilvoll näher kommen. Das Gröbste blieb uns aber glücklicherweise erspart und so kamen wir noch nahezu trocken zu den Zelten. Die ersten Regentropfen warteten wir im Zelt ab bevor wir kochen gingen. Dummerweise hatte ich vergessen, die Schutzkappe auf die Eisschraube zu geben bevor ich ins Zelt stieg und so schlitzte ich meine Isomatte auf. Anstatt auf einer bequemen Isomatte schlief ich somit auf drei Rucksäcken, was meinen Schlafkomfort nicht gerade verbesserte. So freute ich mich in der Früh riesig, als die scheinbar unendlich lange Nacht vorbei war und die Dämmerung den Gletscher in eine mystische Zauberlandschaft verwandelte. Die Anderen hatten auch kaum geschlafen, doch nach viel Tee und einem interessanten Frühstück war die lange Nacht schon fast vergessen. Spätestens die ersten Sonnenstrahlen und ein Schluck Ouzu zauberten allen ein Lächeln ins Gesicht. Da wir heute noch bis Graz fahren mussten und Daniel ein wenig mit Kopfschmerzen zu kämpfen hatte, beschlossen wir gleich alles zusammen zu packen und den Abstieg anzutreten. Die letzten Meter bergauf zur Gletscherbahn kamen wir noch mal ordentlich ins Schwitzen, aber auch diese Hürde meisterten wir. Zurück im Tal gönnten wir uns ein ordentliches Schnitzel ehe wir die lange Heimreise antraten.
Beim Schreiben dieser Zeilen ist die grauenhafte Nacht in der Erinnerung schon nahezu verblasst und die traumhaft schönen Momente an diesem Wochenende dominieren so stark, dass ich diese Tour definitiv wieder machen würde. Auch wenn das Übernachten am Gletscher im Zelt einige Schwierigkeiten mit sich bringt, die Ruhe und Einsamkeit und die unvergessliche Morgenstimmung wiegen den schlechten Schlaf locker auf.

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